Die Digitalisierung schreitet in großen Schritten voran und macht auch vor den Aufzugstüren keinen Halt. Welche Rolle das „Internet of Things“ hier spielt und wo es hinsichtlich Barrierefreiheit im Aufzug noch Handlungsbedarf gibt, darüber hat die UNS GmbH mit Alexander Wüllner von der Hundt Consult GmbH gesprochen.

Bereit für die Digitalisierung

Für wie „digitalisierungsfreundlich“ oder aufgeschlossen halten Sie die Aufzugsbranche im Bereich IOT (Internet of Things) oder Industrie 4.0? Merken Sie große Unterschiede zwischen den kleinen und mittleren Unternehmen und den großen Konzernen?

Alexander Wüllner: Also aufgeschlossen sind in diesem Bereich glaube ich alle. Die großen Konzerne sind weiter fortgeschritten, ihre eigenen Anlagen zu digitalisieren. Bei den kleinen Unternehmen ist häufig die finanzielle Kapazität nicht da, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um das zu ermöglichen. Am Ende gibt es aber jemanden, der das Ganze bezahlen muss und das ist die Immobilienwirtschaft, der Gebäudebetreiber. Dort ist man glaube ich noch nicht so weit, dass man Nutzen demonstrieren konnte. Im Moment optimieren sich Aufzugsunternehmen in erster Linie selbst. Wirklichen Kundennutzen zu generieren, beispielsweise über die Anpassung von Wartungsturnussen, das steckt noch in den Kinderschuhen.

Wir glauben jedoch, dass sich kein Immobilienbetreiber der Tatsache aussetzen wird, bei verschiedenen Herstellern IOT-Lösungen einzukaufen und sich mit den Spezifika und Besonderheiten dieser jeweiligen Technologie auseinander zu setzen, sondern ihr gesamtes Portfolio mit einer einheitlichen, unabhängigen Lösung ausstatten werden. Wenn man sie überzeugen kann, in Digitalisierung zu investieren, dann werden sie sich immer eine Lösung für ihr gesamtes Portfolio wünschen.

Mehr Barrierefreiheit beim Aufzug Notruf

Dabei verwaltet unsere Leitstelle nicht nur Aufzugnotrufe, sondern beispielsweise auch Alarmanlagen. Ein Großteil der Arbeit besteht für die Mitarbeiter darin, Testanrufe zu beantworten oder Fehlalarme nachzuverfolgen. Kommt es tatsächlich zu einem Notfall, veranlassen die Mitarbeiter sofort die entsprechenden Maßnahmen. Im Falle eines Notrufs aus dem Aufzug werden unsere Interventionspartner umgehend informiert. Dabei können wir auf ein deutschlandweites, dichtes Netz aus Partnern zurückgreifen, sodass im Ernstfall schnell Hilfe vor Ort sein kann.

Damit die Meldungen störungsfrei übertragen werden, muss die Alarmempfangsstelle einige Mindestanforderungen erfüllen, die in der Norm DIN EN 50518 aufgeführt sind. Die Notrufzentrale muss auf eine Notstromversorgung zurückgreifen können, um auch bei Stromausfall voll funktionsfähig zu sein. Außerdem muss durch bauliche Vorkehrungen verhindert werden, dass sich Unberechtigte Zutritt zur Notrufzentrale verschaffen können. Die technischen Anforderungen der DIN EN 50518 legen die sichere Datenspeicherung und -aufzeichnung fest.

Mitarbeiter der Notrufzentrale sind psychologisch geschult

Welche Veränderungen erhoffen Sie sich von der Digitalisierung für den Aufzug Notruf?

Alexander Wüllner: Für den Aufzugnotruf erhoffe ich mir, dass es Lösungen geben wird, die weiter die Barrieren im Gebäudeumfeld absenken. Der Aufzug ist, seit er erfunden wurde, ein großer Ermöglicher von Inklusion. Alten und mobilitätseingeschränkten Menschen machen wir das Leben deutlich leichter, wenn wir Aufzüge zur Verfügung stellen. Beim Notruf hört dies auf, wenn man beispielsweise nicht über die Sinne hören und sprechen verfügt. Doch wenn man dieses Umfeld jetzt digitalisiert, kann man beispielsweise mehr als nur einen Sinn ansprechen, indem man 2- oder 3-Sinne-Kommunikationssysteme zur Verfügung stellt. Ich glaube das wird der Inklusion einen großen Schritt nach vorne verhelfen.

Digitalisierung im großen Kontext

Welche Veränderungen erwarten Sie für die Aufzugsbranche allgemein?

Alexander Wüllner: Wenn man bei der Digitalisierung auf die Immobilienbranche insgesamt schaut, dann glaube ich, darf man nicht nur den Aufzugsschacht betrachten, sondern muss Digitalisierung im gesamten Gebäudeumfeld sehen. Ich glaube, dass es einen riesengroßen Produktivitätsschub geben wird. Letztendlich wird sowohl bei den Aufzügen als auch in vielen anderen Gewerken immer noch so gearbeitet wie vor 50 Jahren. Ich glaube aber, dass wir jetzt an der Schwelle stehen, wo Digitalisierung in der Immobilien- und Gebäudewirtschaft zu großen Produktivitätsschüben und -sprüngen führen wird, die letztendlich die Kosten der Bewirtschaftung deutlich nach unten bringen.

„Der Gesetzgeber sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen“

Zum Thema Zwei-Sinne-Kommunikationssystem: Denken Sie das wird in Zukunft ein Nischenprodukt bleiben oder bald in der breiten Masse der Aufzüge vorhanden sein?

Alexander Wüllner: Ich hoffe, dass es in der breiten Masse vorhanden sein wird. Ich sehe aber auch, dass viele zusätzliche Sicherheitseinrichtungen an Aufzügen erst dann nachgerüstet wurden, als es eine gesetzliche Verpflichtung gab. Ich finde das schade, aber ich glaube, dass es den großen Durchbruch erst dann geben wird, wenn der Gesetzgeber sich mit dem Thema auseinandersetzt und ich finde er sollte das tun.

Denken Sie, dass es bei den Zwei-Sinne-Kommunikationssystemen datenschutzrechtliche Probleme gibt?

Alexander Wüllner: Ich glaube in diesem Umfeld kann man immer Probleme konstruieren. Letztendlich kann man auch aus dem normalen Notrufsystem ein Problem konstruieren, weil da ein Mikrofon verbaut ist und der Aufzug theoretisch damit abgehört werden kann. Doch dieses Problem kann man bewältigen. Man kann das Problem technisch lösen, man kann das Problem juristisch lösen und wir haben das ja auch für das bestehende Notrufsystem bereits gelöst. Wenn man beim Zwei-Sinne-System eine Kamera in den Aufzug einbaut, dann kann man natürlich auch fragen, ob der Aufzug mit der Kamera überwacht wird. Und genauso wie wir das beim Mikro gemacht haben, müssen wir dann eine technische Lösung dafür finden, dass die Kamera beispielsweise nicht aus der Ferne ausgelöst werden kann. Das Problem ist da, aber es lässt sich lösen.