In wenigen Wochen tritt eine neue Betriebssicherheitsverordnung für Aufzüge in Kraft. Doch noch immer gibt es einige Unklarheiten und Streitpunkte. Was ist im Bereich Aufzugnotruf technisch möglich, was wird bald verpflichtend und was ist sinnvoll, aber freiwillig? Dirk Blettermann, der Leiter des Fachbereichs Aufzüge und Fahrtreppen bei der Dekra, spricht Klartext im Interview mit der UNS GmbH.

Ab dem 1.1.2021 sind Zwei-Wege-Kommunikationssysteme in allen personenbefördernden Aufzügen Vorschrift. Wann werden die Notrufsysteme von der Dekra kontrolliert?

Dirk Blettermann: Die Notrufsysteme werden bei jeder Haupt- und Zwischenprüfung kontrolliert, aber auch bei einem Neueinbau. Wenn in die Anlage ein neues Notrufsystem verbaut wird, wird sie von der Dekra extra begutachtet. Der Einbau eines Notrufsystems ist eine prüfpflichtige Änderung. Das heißt die ZÜS (Zugelassene Überwachungsstelle) muss das abnehmen, wenn die Anlage noch kein Zwei-Wege-Kommunikationssystem hatte. Das beachten nicht alle Betreiber.

Bedeutet das, dass sich die Aufzugbetreiber nach dem Einbau eines Notrufsystems selbst darum kümmern müssen, dass eine Prüfstelle das abnimmt?

Dirk Blettermann: In der Regel ist das so, dass das Unternehmen, das diese Änderung des Notrufsystems vornimmt, gleich mit einer ZÜS Kontakt aufnimmt und diese Abnahme gleich anfragt und in das Angebot für den Betreiber inkludiert. Aber der Betreiber ist derjenige, der rechtlich dazu verpflichtet ist, diese Prüfung bei der ZÜS seiner Wahl anzumelden.

Wie konkret werden die Mitarbeiter der Dekra dann die Funktion des Notrufsystems überprüfen?

Dirk Blettermann: Bei den Haupt- und Zwischenprüfungen ist das so, dass alle Notrufauslösungen, also gegebenenfalls auf dem Kabinendach, in der Kabine und in der Grube, kontrolliert werden. Kommt es zu einer Änderungsprüfung, das heißt, wenn ein neues Notrufsystem verbaut wird, dann würden diese Schaltpläne kontrolliert werden im Vorfeld und es erfolgt die Prüfung am Betriebsort. Dabei wird extra nur dieses Notrufsystem kontrolliert unter den Notfallbedingungen.

Routinerufe werden nicht überprüft

Um zu überprüfen, ob das Aufzugnotruf System funktioniert, sollten alle 72 Stunden Routinerufe durchgeführt werden. Welche Mindestanforderungen gelten bei den Routinerufen? Werden diese auch kontrolliert?

Dirk Blettermann: Die Routinerufe sind Vorschrift in der EN81-28. Diese werden nicht geprüft, da sie nicht Bestandteil von Haupt-, Zwischen- oder Änderungsprüfung sind. Aber dazu noch eine kurze Information: Diese Zwei-Wege-Kommunikationssysteme müssen nicht nach dem aktuellen Stand der Technik umgerüstet werden, sondern es wird nur auf irgendeine Art und Weise ein Zwei-Wege-Kommunikationssystem gefordert. Auch der Einbau von Piktogrammen ist in der neuen EN 81-28 verankert. Also ist es nicht zwingend erforderlich, aber wir empfehlen es sehr.

Was wäre dann die absolute Mindestanforderung für den Aufzug-Notruf?

Dirk Blettermann: Also man könnte zum Beispiel ein fest installiertes Telefon in der Kabine haben. Ganz einfach mit einer Wählscheibe oder mit Tasten und dann verbindet man sich zu einer ständig besetzten Stelle, die auch in der Firma sein kann, wenn ich jetzt zum Beispiel an ein Möbelhaus denke. Diese Stelle muss erkennen, welcher Aufzug es ist und muss auch wieder in den Aufzug zurückrufen können. Das sind die Mindestanforderungen. Die Norm EN81-28 ist nicht zwingend anzuwenden.

Ein fehlendes Notrufsystem gilt als Mangel

Wenn die Dekra bei der Prüfung ab 2021 feststellt, dass kein Zwei-Wege-Kommunikationssystem vorhanden ist, welche Konsequenzen drohen den Betreibern dann?

Dirk Blettermann: Die Dekra hat in diesem Jahr schon in den Bescheinigungen darauf hingewiesen, dass dies ab 2021 erforderlich sein wird. So wurden die Betreiber, die eigentlich schon fünf Jahre Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten, jetzt noch einmal von uns aktuell informiert worden ist. Zu den Strafen, die hier drohen: Wir haben jetzt vor kurzem erst eine Info bekommen, dass die ZÜS das bemängeln sollen bei der nächsten wiederkehrenden Prüfung. Der jetzige Stand ist, dass es bemängelt wird und es zu einer Nachprüfung kommen wird. Dann hat der Betreiber noch eine bestimmte Frist, um diese Anlage zu verbessern.

Wie lange ist diese Frist, innerhalb der das Notrufsystem nachgerüstet werden muss?

Dirk Blettermann: Da ist man sich unter den ZÜS noch nicht ganz einig. Diese Frist wird voraussichtlich zwischen null und 90 Tagen betragen. Das ist das Spektrum in der aktuellen Debatte.

Noch keine Einigung zu den Konsequenzen

Das heißt es gibt noch keine verbindlichen Angaben?

Dirk Blettermann: Die Prüforganisationen werden sich in diesem Jahr noch einigen. Nachdem wir erst vor drei Wochen die Info bekommen haben, wie es bemängelt werden soll von den Behörden, muss man den Prüforganisationen noch ein bisschen Zeit geben, sich auf eine einheitliche Vorgehensweise zu einigen. Aber grundsätzlich wird es so sein, dass das bemängelt wird und dass es eine Frist geben wird, bis wann die Änderung durchzuführen ist und diese wird nicht länger als drei Monate sein.

Die Betreiber haben also eine bestimmte Frist, um im Bereich Aufzugnotruf nachzurüsten. Ist es auch möglich, dass der Aufzug von der Prüforganisation außer Betrieb genommen wird?

Dirk Blettermann: Ist bei der Haupt- oder Zwischenprüfung kein Zwei-Wege-Kommunikationssystem vorhanden, wird das bemängelt werden. Doch zum jetzigen Zeitpunkt sieht es nicht so aus, dass ein Aufzug sofort ausgeschaltet wird. Aber es bis Anfang des Jahrs kann es auch noch zu Änderungen kommen.

Für weitere Informationen zum Thema Aufzugnotruf lesen Sie auch unser Interview mit dem TÜV Süd.